Landesvertretung der Freien und Hansestadt Hamburg in Berlin, Jägerstraße 1-3, 10117 Berlin
In Kooperation mit dem Fachbereich Informatik der Universität Hamburg hat das Hans-Bredow-Institut am 4. Oktober 2016 das Symposium „The Rule of Algorithms? Formen, Einfluss und Regulierung algorithmischer Entscheidungen“ veranstaltet. Im Vorfeld der internationalen Internetforschungskonferenz AoIR2016, die einen Tag später ebenfalls in Berlin startete, kamen deutsche sowie internationale Experten in der Hamburger Landesvertretung in Berlin zusammen, um sich dem Thema „algorithmische Entscheidungen“ anzunähern. Zum Thema, Veranstaltungsnachlese
Algorithmen und ihre vermeintliche oder tatsächliche Macht sind ein wichtiges Thema der öffentlichen und akademischen Debatte geworden. Algorithmenbasierten Entscheidungen wird zugeschrieben, vielfältige Aspekte unseres Lebens zu strukturieren, zu beeinflussen oder gar zu manipulieren, indem Algorithmen etwa über News-Feed-Inhalte in den sozialen Medien entscheiden, über das Löschen von Hatespeech, aber auch über unsere Kreditwürdigkeit. In der gesellschaftlichen Debatte über diese Entwicklung wird immer wieder kritisiert, dass Algorithmen bzw. algorithmische Entscheidungssysteme intransparent seien und sich der Kontrolle durch die Nutzer entzögen. Dies stellt die Politik und Zivilgesellschaft, aber auch die Wissenschaft vor Herausforderungen.
Da ist zunächst die Frage, was wir überhaupt meinen, wenn wir von Algorithmen sprechen und welche Risiken sich konkret beschreiben lassen. Daran schließen sich weitere Fragen an: Wie lassen sich komplexe Parameter und Prozesse des algorithmischen Entscheidens so gestalten, dass ihr Wirken nachvollziehbar bleibt? Wenn Risiken entstehen, gibt es Ansatzpunkte für die Regulierung solcher Systeme - sollte also die Software selbst reguliert werden, oder die Programmierer, die sie entwickeln, oder diejenigen, die deren Ergebnisse nutzen? Und: Wie kann man Algorithmen und ihre gesellschaftlichen Folgen sinnvoll erforschen? Jedenfalls müssen hier wissenschaftliche Disziplinen zusammenarbeiten, die bislang kaum kooperierten.
Diese und andere Fragen wurden mit Expertinnen und Experten aus der Informatik, den Sozialwissenschaften, den Rechtswissenschaften und dem Journalismus erörtert. Ziel war es, ein interdisziplinäres Verständnis von Algorithmen zu fördern und den praktischen Umgang mit algorithmischen Entscheidungssystemen und ihrer möglichen Regulierung zu diskutieren. Als Beispiel dienten algorithmische Entscheidungssysteme im Journalismus.
Die Veranstaltung bestand aus einer internen, kleinereren Expertenrunde am Vormittag und einem öffentlichen, deutschsprachige Teil der Veranstaltung mit zwei Podiumsdiskussionen und gut 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Wissenschaft, Praxis und Politik.
Die Experten waren sich darin einig, dass Algorithmen als Forschungsgegenstand nicht isoliert betrachtet werden können – auch die Entwicklungs- und Verarbeitungsprozesse, die dahinterliegenden Modelle und die Daten, die in den (oft selbstlernenden) Algorithmus einfließen, müssten berücksichtigt werden. Auch dürfe der Anwendungsbereich des Algorithmus nicht außer Acht lassen werde, da Kulturen und Normen sehr unterschiedlich sein können, etwa hinsichtlich des Datenschutzes oder der Transparenz der Entscheidungen in Verwendungszusammenhängen wie Medizin, öffentliche Kommunikation oder autonomem Autofahren. Der Zugang zu (meist privaten) Unternehmen, die Algorithmen entwickeln, sei imens wichtig für eine sinnvolle Erforschung des Themas. Außerdem gebe es die Gefahr, dass bei algorithmischen Entscheidungen, die in der Regel stark auf quantitativen Daten beruhen, hauptsächlich der gemeinsame Nenner die Entscheidung bestimmt. Wichtig sei deswegen, dass Entwickler von Algorithmen bewusst mit solchen Ausreißern umgehen, etwa um Vielfalt zu gewährleisten.
Nach den drei Themenblöcken fassten Prof. Dr. Maalej vom Fachbereich Informatik und Prof. Dr. Schulz vom Hans-Bredow-Institut den Vormittag zusammen. Prof. Maalej war besonders wichtig, dass bei auf Big Data basierten algorithmische Entscheidungsprozessen neben Durchschnittswerten auch Ausreißer auffindbar bleiben. Außerdem legte er den Teilnehmer ans Herz, den Begriff Algorithmus nicht leichtfertig zu verwenden, und deutlich zu machen, worüber man redet. Prof. Schulz zog die Schlussfolgerung, dass Forschung zu algorithmischen Entscheidungen sich vor allem auf die Entscheidungen und weniger auf die Algorithmen bezieht bzw. beziehen sollte. Darüber hinaus sei ihm wichtig, dass die Wissenschaft sich mit den Anwendungsfeldern befasst, in denen algorithmischen Entscheidungen gesellschaftliche Folgen auslösen.