In Debatten über Plattformregulierung geht es oft nur um die ganz großen Player – Facebook, Google, Twitter. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 nimmt ein interdisziplinäres Team des HBI nun auch kleinere und mittlere Online-Plattformen in den Focus und untersucht deren Umgang mit wahlkampfbezogenen Inhalten.
von Christina Dinar
YouTube, Twitter und Facebook werden fast synonym mit dem Begriff Social Media verwendet. Dabei gibt es viel mehr Akteure in diesem Feld, zahlreiche Plattformen und Foren, die neben den marktdominanten Akteuren eigene Communities um sich vereinen. Plattformen wie gutefrage.net, nebenan.de und weitere, sind Teil einer vielfältigen Landschaft von Plattform-Angeboten im deutschsprachigen Raum, aber bisher kaum erforscht. Hier liegt eine Menge ungehobenes Potential für innovative Zugänge zu Themen wie Content-Moderation und Community-Beteiligung, die die Diskussion über die Regulierung von großen Plattformen bereichern kann.
Im Rahmen des von Matthias C. Kettemann geleiteten Forschungsprojektes “Superwahljahr” untersucht ein interdisziplinäres Team am Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut, wie größere und kleinere Plattformen mit Parteien und der Wahlkampfkommunikation umgehen. Im Fokus der Erhebung steht sowohl der Umgang der Plattformen mit wahlkampfbezogenen Inhalten, als auch die allgemeine (Selbst-)Regulierung von Inhalten und die Inhaltemoderation. Diese Inhalte sind meist auf der Plattform eingestellte, benutzergenerierte Inhalte, die zugleich kommunikative Risiken und Herausforderungen darstellen.
Kleine und mittlere Plattformen
In der Debatte um sinnvolle Regeln für einen Onlinewahlkampf auf Social Media werden häufig nur Plattformen in den Blick genommen und diskutiert, die bereits einen sehr hohen Relevanzgrad für (politische) Öffentlichkeit(en) besitzen, wie z.B. Twitter, Facebook, YouTube und TikTok. Mit mehr als 2 Millionen im Inland registrierten Nutzer:innen fallen diese Plattformen in Deutschland unter das NetzDG und sind daher gesetzlich dazu verpflichtet, mit Blick auf strafrechtlich-relevante Inhalte nach einem gesetzlich vorgegebenen Meldeverfahren zu handeln.Kleinere und mittlere Social Media Plattformen fallen nicht unter solche gesetzlichen Verpflichtungen, dennoch führen sie eine Inhaltemoderation durch und entwickeln dafür eigene Policies – auch im Umgang mit wahlkampfbezogenen Inhalten. Diese häufig übersehenen, kleineren und mittleren Plattformen werden nun erstmals in Rahmen des Forschungsprojektes “Superwahljahr” in den Blick genommen und wissenschaftlich ausgewertet. Details zur Erhebung im Blogbeitrag "Mapping von kleinen, mittleren und Nischenplattformen online".
In mehreren Workshops werden kleinere, mittlere und Nischenplattformen zu ihren Praxen, ihrem Umgang und ihrer Policy-Entwicklung befragt und in einen Austausch miteinander gebracht. Dabei stehen die Themen, die sie als Herausforderungen im Kontext von staatlicher Regulierung sehen, im Vordergrund. Darüber hinaus sollen communityspezifische Inhalte und eigene plattforminterne technische Entwicklungen erhoben und sichtbar gemacht werden.
Ziel ist es, die Medienvielfalt in der Regulierung zu stärken und gute Praxen zur Inhaltemoderation zu erheben, die zeigen, dass eine Nuancierung von Entscheidungen, Plattform-Policies und demokratischen Standards unter Community-Beteiligung möglich ist. Im Projekt Superwahljahr bekommen diese spezifischen Plattformen Sichtbarkeit, schließlich bilden auch sie digitale Kommunikationsräume ab, in denen alltäglich Regelbildung und normative Praxis stattfindet. Sie können innovative Lösungsszenarien bieten, die Regulierungen bisher übersehen haben. Von den Kleinen kann man also was lernen!
Foto: Nathan Dumlao / unsplash