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MEDIA RESEARCH BLOG

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„Die Community ist der Motor im Hintergrund“

„Die Community ist der Motor im Hintergrund“

27.05.2021

Dario Nassal ist Mitgründer des Medien-Start-Ups Buzzard. Seine Idee: die Vielfalt der Perspektiven öffentlicher Debatten aufzeigen und alte Denkmuster aufbrechen. Im Interview spricht er von seiner Arbeit, der Bedeutung der Buzzard-Community und seinen Hoffnungen, die er mit den Nutzer*innen verbindet. Die Fragen stellte Tim van Olphen.
Perspektivenvielfalt aufzeigen und fundierte Meinungsbildung ermöglichen, das ist die Idee von Buzzard, die Dario Nassal und sein Co-Gründer Felix Friedrich während ihres Politikstudiums im Sommer 2015 hatten. Mittlerweile scannt die Redaktion täglich über 1.800 Medien und fasst zusammen, welche Themen und Debatten aktuell im Fokus stehen und welche unterschiedlichen Standpunkte es zu gibt. Mittels Crowdfunding haben es die beiden nicht nur geschafft, ein Team aus zwölf Miterabeiter*innen aufzubauen, sondern aktuell auch über 2.500 zahlende Nutzer*innen zu gewinnen. 
 
Im Zuge des Projekts „Journalismus und sein Publikum: Die Re-Figuration einer Beziehung und ihre Folgen für journalistische Aussagenentstehung“, mit dem Prof. Dr. Wiebke Loosen und Julius Reimer herausfinden wollen, wie Journalist*innen mit der wachsenden Komplexität ihres Publikums umgehen, haben wir auch mit Dario Nassal gesprochen. Ich bin als studentischer Mitarbeiter ebenfalls am Projekt beteiligt und habe das Interview mit Dario Nassal geführt. Für den Blog habe ich einige der interessantesten Aussagen zusammengetragen:
Mit der News-App Buzzard wollt Ihr eine neue Perspektiven- und Meinungsvielfalt schaffen. Wie kann ich mir den Redaktionsalltag bei Buzzard konkret vorstellen?
Es gehört zu unserer täglichen Arbeit, die Medienlandschaft zu scannen. Das heißt, wir schauen jeden Morgen in 1.800 Medien und filtern, zu welchen Topics publiziert wird. Also welche Themen oft auftauchen, welche kontrovers diskutiert werden und welche unterschiedlichen Perspektiven es dazu gibt. Wir suchen dabei gezielt nach Medienbeiträgen, die unterschiedliche inhaltliche Positionen vertreten. Dazu beobachten wir die überregionalen Zeitungen in Deutschland, die englischsprachigen Zeitungen in den USA und Großbritannien und viele deutsche Blogs, Zeitschriften und Magazine. Wir verstehen uns als Medienspiegel, ein bisschen wie eine Presseschau. Wir folgen den Medien systematisch, um die Themenlage und die wichtigsten Themen des Tages herauszufiltern. Dafür haben wir eine Schicht am Morgen, eine*r unserer Mitarbeiter*innen ist immer von 5 Uhr bis 7:30 Uhr im Einsatz und scannt die Medien schon in der Früh. Ab 7:30 Uhr machen wir dann eine gemeinsame Tagesthemenbesprechung und überlegen, welche Themen, Debatten und Perspektiven wir auf die Seite nehmen.
In der App findet sich immer ein Tagesthema mit dazugehörigen Pro- und Contra-Meinungen, Hintergrundinformationen sowie eine aktuelle Debatte, zu der Ihr auch die unterschiedlichen Positionen zusammentragt. Wie trefft Ihr die Auswahl, welche Themen und Debatten es in die App schaffen?
Wir versuchen, Themen zu nehmen, die eine Kontroverse beinhalten, zu denen es verschiedene Meinungen an dem Tag gibt. Die Tagesthemen sind idealerweise Themen, die an diesem Tag geschehen sind und in vielen deutschsprachigen Medien prominent thematisiert wurden. Dann haben wir dazu noch eine Debatte, meist ein wochenaktuelles Thema, das aber auch ab und an etwas Zeitloses sein kann. Die Debattenthemen setzen wir immer zu Beginn der Woche und da entscheidet unsere Community teilweise auch mit, welche spannend sind. Wir fragen regelmäßig bei den Nutzer*innen nach, welcher Fokus interessant wäre, oder bekommen Vorschläge zugeschickt. Am Ende ist es dann natürlich immer eine redaktionelle Abwägung, welche Themen an diesem Tag auf der Website und in der App stehen.
Du hast gerade schon erwähnt, dass Eure Nutzer*innen beispielsweise bei der Themensetzung oder der Perspektivenauswahl mitwirken. Wie funktioniert das konkret?
Also die tagesaktuellen Themen können natürlich nicht durch die Community entschieden werden. Wir fragen in unserem Newsletter aber regelmäßig, ob es Themen- oder Debattenvorschläge gibt und wie die Meinung zu den aktuellen Debatten und Themen in der App ist, oder ob sich die Community einen anderen Fokus wünscht. Vor allem was die Produktentwicklung angeht, ist die Community sehr wichtig für uns. Wir haben die Entwicklung der verschiedenen Funktionen der App durch Umfragen mit der Community bestimmt und festgelegt. Für uns ist es extrem wichtig, dass wir den Community-Mitgliedern diese Fragen stellen, die ganzen Vorschläge sammeln und dann unsere Produktentwicklung und die Themenauswahl der Debatten danach ausrichten und planen.
Wieso werden die Nutzer*innen so aktiv mit eingebunden? Was ist die Idee dahinter?
Unsere Vision ist, dass die Nutzer*innen bei uns untereinander diskutieren, selbst Lösungsvorschläge oder Debattenbeiträge teilen und mit anderen Community-Mitgliedern darüber sprechen können, was sie tatsächlich interessiert. Dass ist der nächste Schritt, den wir in der App realisieren wollen. Wir haben das Projekt Buzzard zum Großteil über Crowdfunding realisiert und sind zudem werbefrei. Das heißt, Leserinnen und Leser haben das Medium finanziert und möglich gemacht. Und sie sind auch das wichtigste wirtschaftliche Standbein von Buzzard. Wir sind ein Medium, das von einer Community geschaffen wurde, und deswegen ist uns die Meinung dieser Menschen auch sehr wichtig. 
Wie würdest du aktuell die Beziehung zu euren Nutzer*innen beschreiben?
Die Mitglieder der Community sind ein ganz wichtiger Teil für uns. Als wir angefangen haben mit dem Projekt, da gab es noch keine Community, da hatten wir nur eine Idee. Wir haben dann gelernt, dass es unmöglich ist, diese Idee ohne Menschen, die sie teilen und weitertragen, umzusetzen. Dank der Community ist Buzzard gewachsen, jetzt sind mehr Leute im Team dabei: Menschen, die ehrenamtlich geholfen haben, Freunde, Bekannte, die die Idee weitergetragen haben. Durch das Crowdfunding sind ganz viele Leute dabei, die uns unterstützen und es möglich machen, dass wir arbeiten können. Ich würde sagen, momentan ist die Community der Motor im Hintergrund, der das Projekt antreibt. Ohne sie könnten wir die Arbeit nicht machen. Wir bekommen Feedback von diesem Motor, er gibt uns zu spüren, wenn wir wieder an neue Ideen und Formate denken müssen.
In der Pilotphase der App musstet Ihr euch mit einer massiven Welle von Kritik an eurer Quellenauswahl auseinandersetzen. Unter anderem hattet Ihr einen Text des rechtsextremen und islamfeindlichen Blogs „PI-News“ vorgeschlagen. Wie haben Eure Nutzer*innen auf die Kritik reagiert?
Die Frage für uns war, wie weit sollen wir den Raum öffnen und wo sind die Grenzen? Natürlich muss es Grenzen geben. Wir wollen nicht, dass Menschen, die hetzen oder versuchen, den Diskurs kaputt zu machen, mehr Gehör bekommen. Gleichzeitig wollten wir offener sein als viele andere Medien, die einer politischen Leitlinie folgen. Denn das ist der Punkt, an dem es besonders interessant wird, wo man mit anderen Filterblasen in Berührung kommt und eine neue Perspektive kennenlernt, auch wenn man sie nicht teilt. Uns war wichtig, einen guten Weg zu finden. Wie können wir so breit wie möglich sein und dabei nicht neurechten Hetzblogs irgendwie Legitimation verschaffen? Daraufhin haben wir lange an unserer Methodik gearbeitet und neue rote Linien definiert, die wir auf unserer Website und damals auch im Newsletter kommuniziert haben.
 
Die Reaktion der Community war ganz spannend, weil dabei zu sehen war, was Twitter für eine Bubble an sich ist. Die Kritik in der Pilotphase lief voll und ganz auf Twitter – wir hatten aber natürlich das Gefühl, alle reden über die Buzzard-Kritik. Wir haben daraufhin unsere Nutzer*innen im Newsletter darüber informiert. Viele haben sich dann gewundert, weil sie davon eigentlich gar nichts mitbekommen hatten, da viele Mitglieder der Community Twitter gar nicht nutzen. Die Reaktion auf die Kritik war zum Großteil daher recht entspannt, ehrlich gesagt. Wahrscheinlich, weil sie uns schon länger kennen, uns vertrauen, und eventuell das Gefühl hatten, dass es diese Kritik gab, weil wir zu offen waren, und nicht etwa, weil wir ernsthaft die Motivation verfolgen würden, diesen rechten Blogs Legitimation verschaffen zu wollen.
Welche Erwartungen oder Hoffnungen hast Du an die Nutzer*innen von Buzzard?
Ich habe die Hoffnung, dass es zu einem regen Austausch kommt, der über die Zeit mehr wird. Ich hoffe, dass wir tatsächlich zu einer großen Community heranwachsen, in der wir gemeinsam über Lösungen diskutieren können. Ich hoffe, dass die Menschen Lust auf Diskussionen haben und eigene Ideen mitbringen. Das wären meine Hoffnungen und ich erwarte, dass die Community uns kritisiert und uns sagt, wenn sie Ideen schlecht finden. Dass sie offen und ehrlich zu uns ist. Und wenn die Community aktuell der Motor im Hintergrund ist, würde ich mir wünschen, dass sie vielleicht irgendwann einmal zum gesamten Fahrzeug wird und nicht mehr nur der Antrieb ist.
Zu guter Letzt habe ich noch eine vielleicht etwas außergewöhnliche Frage: Wenn Du persönlich deinem Publikum eine Botschaft zurufen könntest, wie würde die lauten? 
Lasst uns gemeinsam die Debattenkultur verändern und einen neuen Zugang zu Medien schaffen.

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Unsere Blogreihe „Journalismus und sein Publikum“ präsentiert Gespräche mit Medienschaffenden über die Beziehung zu ihren Leser*innen, Hörer*innen und Zuschauer*innen. Die Interviews entstanden im Rahmen unseres Forschungsprojektes Journalismus und sein Publikum: Die Re-Figuration einer Beziehung und ihre Folgen für journalistische Aussagenentstehung.


 

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