Facebook hat erstmals Wissenschaftlern direkten Zugang zu internen Entscheidungsgremien gewährt. Forscher HBI haben untersucht, wie Facebook Kommunikationsregeln für seine Plattform entwickelt. Im BredowCast berichten Wolfgang Schulz und Matthias C. Kettemann von Forschung auf neuem Territorium.
Sie regeln, was auf der Plattform Facebook gesagt werden darf und was gelöscht werden muss, und beeinflussen damit, wie 2,7 Milliarden Nutzer miteinander in Kontakt treten können: Facebooks Gemeinschaftsstandards sind ein Beispiel für den großen Einfluss, den Regeln privater Akteure auf die öffentliche Kommunikation haben.
In einer
Pilotstudie haben Forscher des Leibniz-Instituts für Medienforschung nun erforscht, wie Facebook seine Regeln entwickelt und welche Maßstäbe und Interessen in diesen Prozess einfließen.
Matthias C. Kettemann, Forschungsprogrammleiter und Senior Researcher am HBI, hat eine Woche lang als Beobachter an sämtlichen Meetings des Product Policy Teams teilgenommen, das im Hauptquartier von Facebook in Kalifornien für die Entwicklung der Gemeinschaftsstandards verantwortlich ist. Darüber hinaus hat er in ausführlichen Interviews mit den verantwortlichen Personen untersucht, was die Entstehung neuer Regeln und deren Design motiviert und wie Facebook versucht, durch Konsultationen mit gesellschaftlichen Stakeholdern die Legitimität der privaten Normenordnung zu erhöhen.
„Über das Entstehen von Gesetzen wissen wir viel, aber über die Entwicklung der selbst auferlegten Regeln, nach denen Facebook etwa Inhalte löscht, wussten wir bisher nichts“, so Kettemann. „Das war lange eine Black Box“, meint
Prof. Dr. Wolfgang Schulz, Direktor des HBI, „in die wir nun Licht bringen konnten“.
Ergebnisse
Zu den Erkenntnissen des Pilotprojektes gehört, dass Prozesse der Regelsetzung bei Facebook, etwa zum Problem der Hassrede, aus vielerlei Richtungen angestoßen werden, etwa durch eigene Mitarbeiter/innen, durch Hinweise von Usern (Flagging), durch Presseartikeln usw. Es handelt sich um einen vom nationalen und internationalen Recht im Wesentlichen unabhängigen Prozess, der aber – so konnten die Forscher zeigen – der legitimitätserzeugenden Wirkung staatlicher Regulierung nachgebildet wird. Auch innerhalb von Staaten werden Interessensgruppen konsultiert, wenn Gesetze verabschiedet werden.
Im Gespräch mit
Johanna Sebauer erzählen die beiden Forscher, wie das Forschungsprojekt zu Stande kam, wie der Alltag eines Feldforschers bei Facebook aussieht und warum die Erforschung privater Normen wichtig ist.
Beide Medienrechtler betonen: „Angesichts der Auswirkungen, die private Ordnungsansätze auf die Sphären der kommunikativen Freiheit der Individuen und den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft haben, müssen wir besser verstehen, wie diese normativen Prozesse funktionieren. Unsere Forschungen legen dafür die Basis“
Links
Die Studie zum Download
Facebook Product Policy Changes
Prof. Dr. Wolfgang Schulz
PD Dr. Matthias Kettemann, LL.M (Harvard)
Johanna Sebauer
Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut